Die Welt ist im Wandel. Vor nicht allzu langer Zeit war der Mensch beschränkt auf die Medien die uns der Staat oder die Presse zum Fraß vorgeworfen hat. Das ging auch eine Zeit lang wirklich gut, man wurde informiert und unterhalten und alles lief eigentlich gar nicht mal so übel, der Mensch dümpelte in einem Zustand des Desinteresses herum und hatte gleichzeitig das Gefühl ungemein informiert zu sein.
Mit der Zeit erkannten aber die großen Medienanstallten das man mit reinen Informationen nicht weiter kommt. Die Boulevardpresse hat es ja vorgemacht. Schillernd und in grellen Neonfarben muss es sein, sich durch die Netzhaut des Opfers fressen wie ein Wurm durch einen faulen Apfel um ihn am Ende hohl zurückzulassen. Opium für Volk, Crack für unsere Nutte, "Komm Hasso, hol's Stöckchen. Ja, Braaaaaaaaaaaaaaaav braaaaaaaaaaaaaav". Die Medien haben verstanden, zu gut. Unsere Realität oder zumindest das was wir als solche akzeptiert hatten wurde Stück für Stück mit Krokant und Zuckerguss überzogen. Süß, schmackhaft, nährstofflos. Der Geist beginnt zu verhungern, der Fernseher wird zum Bildschirmschoner des eigenen Verstands, zeigt er uns doch das was so angenehm und einfach ist. Man hat uns da wo man uns haben will, das Marktforschungsprojekt leben ist auf seinem Zenit. Wir werden geboren, erfasst, katalogisiert, umworben und konsumieren bis wir letztendlich Futter für die Würmer sind. Und wo ist der Sinn? Können wir am Ende sagen : "Oh ja mein Leben war toll, ich kann den kompletten Denver Clan auswendig mitreden und hab alle Schminktricks von Germany's Next Topmodel drauf"....Keine Tasche keine Competition. Mein Blick schweift über die leeren Menschenhüllen die ich auf Studentenparties sehe wie sie sich klatschend und volltrunken dem Singsang von Mickie Krause und Konsorten hingeben, noch ein paar Grashalme die sich mit dem Wind bewegen.
Hinter den Kulissen allerdings spielt sich ein anderes Schauspiel ab, über Glasfaser und Kupferkabel zwischen all diesen neongrellen Werbebildchen, bilden sich Strukturen. Völlig unabhängig voneinander beginnen von uns allen unbemerkt Mirkokosmen zu entstehen. Kleine Oasen in einer Wüste aus Stumpfsinn. Das Web 2.0 wirft seine Schatten. Erst klein und unmerklich, wie z.B. der Familienvater der eine kleine Homepage entwirft um seine Liebsten vorzustellen, oder der Pferde-Fotoalbum der kleinen Nachbarin. Zwischen all diesen Blitzlichtern aus Konsum und Reizüberflutung finden sich auf einmal Menschen wieder und sie kontrollieren den Inhalt. Das an und für sich ist ja nichts neues doch das eine Zahnrad greift in das nächste. Suchmaschienen die mit ihren Crawlern das Netz durchforsten stoßen auf unsere Seiten. Auf einmal sind wir nicht mehr alleine, auf einmal hört man uns. Überall, global vernetzt.
Und es bleibt nicht dabei, das neugewonnene Selbstvertrauen, trägt Früchte. Einzelpersonen nehmen es mit ganzen Konzernen auf, bloggen sie in Grund und Boden und auf einmal gerät das Gleichgewicht ins wanken. Die vielzitierte Floskel "Du kannst als einzelner alles Erreichen" inkarniert. Ideen nehmen Gestalt an weil wir nicht mehr alleine mit ihnen sind. Hunderte finden sich zusammen und beginnen ihr Umfeld zu verändern, das was ihnen missfällt zu bekämpfen oder etwas zu schaffen das so noch nie da war. Die Bandbreite der Informationen fordert uns neu, nicht alles ist wahr was wir lesen,aber genauso wenig ist alles wahr was man uns glauben machen will. Wir werden kritisch, prüfen das was wir lesen. Der Geist beginnt zu ticken, wie ein eingerostete Maschine schleudern wir den Staub aus unseren Köpfen.
Die Mächtigen beginnen zu schwitzen, ihre Hunde wollen keine Stöckchen mehr holen, ihre Kunden ihre Produkte nicht mehr kaufen. Das Volk wird autark, die Idee ist stärker als das Individum da sie die fleischliche Barriere überschreitet und sich in Bits und Bytes manifestiert. Die Mächtigen springen auf, schreien Zeter und Mordio, aber sie bleiben ungehört. Was also tun, die neugewonnene Freiheit ist nicht zu kontrollieren. Lokale Gesetze können sie nicht beschränken, wer suchet wird finden und er wird viel finden. Wie gelegen kommen ihnen die Fanatiker die diese Freiheit als Plattform verwenden. "Forum für Terroristen", Ausbildungslager für Selbstmordattentäter", hör ich sie schreien und beginnen Sachen die auch so schon da waren auf ihr neues Feindbild zu projezieren, und viele glauben. Sehen bedroht durch Muslime, Flugzeuge, Vogelgrippe, Tellerminen, Windpocken und Gefrierbrand. Dein Hund muss dich fürchten und lieben um dir das Stöckchen zu holen.
Ein Blick in die Nachrichten, jeden Tag beginnt der Horror aufs neue. Die Mächtigen fürchten um ihre Kontrolle, doch wir sind keine Hunde mehr sondern haben Blut geleckt. Wir wittern den Käfig in den sie uns stecken wollen.
"Die Anschuldigungen das sich die Bundesrepublik Deutschland in einen Überwachungsstaat verwandelt, halte ich für infam", höre ich sie sagen. "Niemand hat die Absicht eine Mauer zu bauen...." flüster ich leise und beginne zu tippen.